in: »Fragmente, Werke von Horst Bartels«
Ars Borealis 03
Hrsg. Sparkassenstiftung Schleswig Holstein
Zu seiner letzten Ausstellung, bei Kruses, habe ich Horst die Rede gehalten.
Er hat die Rede dann besessen und nun habe ich sie nicht mehr und kann nicht in Versuchung geraten, sie heute für meinen kleinen Text zu benutzen. Was mir von Horst bleibt?
Drei Bilder (eine Salamiwurst, einen Herrenhut und eine komplizierte Zusammenkomposition von 45 Aquarellen vor Karteikärtchen in Tütchen auf Leinwand, gerahmt), im April ein Teppich aus Scilla unter unserem alten Boskop (die wir zusammen in seinem wilden Villengarten ausgegraben hatten, ehe er in den Marienhof zog), einen krummen Haselstrauch bei den Himbeeren, der jedes Jahr enorm zulegt, ein Büchlein über Geburtshilfe und Mutterschaft von 1908 mit zahlreichen Abbildungen, eine Erste Hilfe Tasche seiner Tante aus dem letzten großen Krieg, in dem sie Krankenschwester bei den Verwundeten war, einen Toilettenkoffer in elegantem englischen Format für den Herrn, mit lila Seide gefüttert, die Kanten leicht bestoßen (er könnte eine Restaurierung, auch innen, gebrauchen), ein Kochbuch in Farbfächerform, einen großen, filigran gearbeiteten Elfenbeinanhänger, den ich gerne eimal tragen würde, aber nicht so wie er ist (den Mut, ihn zu verändern, habe ich nicht). Und 5 Kataloge: einer in Form eines Memoryspiels, einer wie ein Album für Zigarettenbilder, einer in Form einer Versammlung. Dazu 4 Plakate, ein Faltblatt und 7 Einladungskarten, von ihm gemacht mit meiner so erbetenen wie nervigen Einmischung. Die natürlich unbezahlbaren endlosen Sitzungen an diesen Opussi in seinem Zimmer im Zeitungsverlag waren voller Gewitter, in denen sich die Spannungen zwischen einer zwanghaften Unbedingtheit (ich) und feinsinniger, beharrlicher, bis ins kleinste stimmiger Konsequenz (er) entluden. Wir haben sehr gestritten. Ein kleines Taschenradio dudelte die ganze Zeit. Daneben stand eine kleine eiserne Badewanne, die er im Eifer hin und herschob. Zwischendrin rief Jörg Heiniger an, plauderte mit Horst und fragte nebenbei, wo ich denn bliebe. Es war wunderbar.
Ein Foto von ihm in der Pizzeria Populare al Forno in Berlin. Das sind die sichtbaren, anfassbaren Zeugnisse unserer Bekanntschaft. Ich weiß nicht, wie ich die Kollegialität unter uns zweien, Künstlern mit bürgerlichen Berufen, die bald in Freundschaft und zunehmend in enge Verbundenheit ausartete, beschreiben soll.
Und ob ich das überhaupt möchte.
Horst habe ich geerbt.
Von Ekkehart Thieme, dem Zeichner und Radierer, der sein Freund war (länger) und meiner (kürzer). Ich war neu in Kiel, an der Schule, an der Ekkehart schon 30 Jahre lehrte, und ich hatte eine Ausstellung in Lübeck, zu der ein Katalog erscheinen würde. Meine Vorstellungen davon. Kennst du Horst Bartels. Der der kriegt das hin.
So geht das in Flensburg.
Von da an hat Horst aber auch alles layoutet, was bei mir anfiel. Seither ich zeige seine Printsachen sehr gerne her und ernte alles Lob längst allein. Einen neuen Katalog habe ich seit ARBEITEN ESSEN SCHLAFEN nicht gewagt.
Horst lebte menschenfreundlich, eigensinnig, altmodisch, hartnäckig, beharrlich und unbeirrt an den Rändern seines selbstgeschaffenen, alltäglich gehegten Universums.
Er ging die Peripherie, den Blick sowohl auf das Außen-vor, wie auf das Innendrin gerichtet , wie der Meister, der beim Gelingen eines Werkstücks zuschaut.
Die Provinz ist, wenn sie geliebt wird, die größere Welt. Sie ist ihr in Teilen auch überlegen. Das konnten Horst gelegentliche wohlbegründete Reisen in die wirklichen Metropolen nur bestätigen. Ein Tourist war Horst nicht.
Sein Geheimnis war, das alltägliche zu adeln.
Sorgfältig Auswählen und Komponieren, Preziosen aus Resten und Fragmenten der Papierwelt schaffen (mit deren untergehendem Nachrichten-Elementarium der Industriegesellschaft, der Zeitung, er leidenschaftlich verbunden war), Einzelnes zu Einzigartigem fassen, Welten untereinander verknüpfen („witzig“), Farben sich subtil einander anverwandeln lassen – das hat er gekonnt in seinem Atelier im Hof hinter dem Sarglager, das eine Werkstatt im allerbesten Sinne war. Sie hielt seine Umwerte sorgfältig bereit, in Archiven an den Wänden entlang gereiht. In der Mitte gab es große, aufgeräumte Arbeitstische, gut sortierte Wekzeuge, wo seine Fortsetzungsgeschichten ihre Erzählung erhielten.
Carolas und Horsts Wohnstätte oben im alten Villenviertel dagegen war ein großer Spielplatz, wo mit Schalk und Ironie ein Vielfaches von einem Allerlei in möglicher Unmöglichkeit kombiniert wurde um eine Behaglichkeit zu erreichen, der die Finsternisse unserer Existenz vertraut sind. Hier war die 13. Fee eingeladen. Adventskranz aus Fröschen u.s.w.
Horst liebte das Theater als Ganzes, die Schauspieler wie das Theaterrestaurant, wie die Stücke, wie das Licht, und den Hin- und den Rückweg mit Freunden. So auch die Kunst zusammen mit den Künstlern, Galeristen und Museumsdirektoren und den Freundschaften (Feindschaften) und Klatschgeschichten. Er liebte es, Kunst zu betrachten (große Kunst verehrungsvoll), Kunst zu kaufen und Kunst zu sammeln. er war ein generöser Förderer junger oder unbekannter Kunst von hohem Geschmack.
Zu seiner eigenen Kunst gehörte es, sich fein, dezent und zeitlos zu kleiden, seine zarte altersjugendliche Haut von einer Freundin pflegen zu lassen, sein kräftiges Kopfhaar von einem Freund gerade so viel bändigen zu lassen, das es aufmüpfig bleiben konnte – und sein Profil, sein Vollporträt,sein Hinterkopf und seine 360° Ganzfigur im Spiegel zu kontrollieren. Er hätte nie ein kurzes Hemd getragen.
Er haßte es, ohne Behändigkeit zu gehen. So war er stets nur mit einer kleinen Umhängetasche und (wenn nötig) einem großen schwarzen Stockschirm angetan, ohne Mütze. Bücher- und Marktkäufe trug er in der Hand, alles andere ließ er, wenn möglich, bringen oder schicken.
Ohne Beispiel bleibt für mich, an seinem Arm durch Flensburg zu spazieren und die tapfer verborgene Enttäuschung zu spüren, wenn ich, wieder einmal, nur Arbeitssachen anhatte. Er brachte mich bis zum Auto, immer. „Erstmal.“ Ja, erstmal, Horst.
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