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Presented as part of the joint exhibition hosted by the Muthesius University of Fine Arts and Design in Kiel, Germany, and the University of Pécs in Hungary at the FISKE Gallery in Budapest on 8th May 2017. A collection of pieces produced during a period of creative work at the International Kodály Society in Kecskemét, Hungary, in autumn 2016.

Opening: 8th May 2017, 6:00 pm
Pictures: Kerstin Abraham (1), Dorothea Bruebach (1), Merlin Laumert (3), Songei Lee (1)
Large front-page picture: Dorothee Brübach
Design: Denken & Handeln | Fine Heininger
Print: Muthesius University of Fine Arts and Design, Kiel, Germany

»Ofenrede« und Performance »Ofentaufe«

Über die Notwendigkeit einer neuen Keramikwerkstatt schrieb ich 2011.

Die alte Keramikwerkstatt, die ich vorfand, als ich an die damalige Fachhochschule für Gestaltung nach Kiel kam, folgte der Einrichtung einer Traditionellen Töpferwerkstatt. In deren Mitte findet sich (schematisch gesehen) der um Raum nicht verlegene Arbeitsplatz des Töpfers, an dem er die verschiedensten Verrichtungen ausführt. An seinen Rändern sind seine Facilitäten angeordnet: zum Tonischen, Aufbewahren, Brennen, Glasieren (usw.) Er kann in seinem gro.zügig bemessenen Arbeitsraum zwischen seinen in verschiedenen in verschiedenen Stadien befindlichen Arbeiten umhergehen, die Prozesse ständig kontrollieren und seine Tätigkeiten an allen Positionen nach Notwendigkeit fortsetzen. Die Objekte selbst haben statische Positionen / der Töpfer bewegt sich um sie herum / und bedient sie. Die Verweildauer eines Arbeitsobjektes kann leicht zwei, sechs, oder 15 Wochen dauern, auch länger. Ziel des Studiums in der Klasse war es bis in weit in die 80er Jahre des 20 Jh hinein – und damals absolut zeitgemäß, als Gefäß- oder Studiokeramiker eine eigene Werkstatt aufzubauen und in ihr freiberuflich zu wirken. Ein auskömmlicher Beruf bis Ende der 80er Jahre! Die Werkstatt war nur für die Keramikklasse zugänglich und nutzbar. Ausschließliche Auseinandersetzung mit Keramik postulierter Studieninhalt. Das führte spätestens Anfang der 90er zu wachsenden Konflikten. Die Studenten erstritten sich ein freies Atelier mit einem großzügigen Modulofen für Plastik. Das Interesse am Gefäß schwandt rapide, ohne daß sich die Keramik im Bereich der Freien Künste selbstbewusst einfinden konnte. Die Studierendenzahlen sinken. Das Konzept verlangte nach Erneuerung. Schließlich wird mit Kerstin Abraham 1994 nicht konfliktfrei eine Nachfolgerin berufen. Neuanfang in alter Werkstatt. Seit ihrer Berufung Mitte der neunziger Jahre bis 2011 ist in die Keramikwerkstatt nicht mehr investiert worden. Für die Gründung der Medienwerkstatt mußte die Klasse ihr freies Studio aufgeben, der Modularofen wurde entsorgt. Trotzdem arbeitete Abraham das Profil der Freien Kunstklasse mit Vertiefung von Händischem Tun am Beispiel der Keramik heraus. Ton als lebendiges Material, das im technologischen Prozeß mehrmals seine Eigenschaften ändert ist in der künstlerischen Arbeit eine besondere Herausforderung: Hier kann der Gestalter vielfach von Beginn bis Ende des Prozesses, in jeder Phase (Massezubereitung, Objektaufbau, Stabilisierung, Brennen, Oberflächen) mit seinen Handlungen gezielt auf die letztgültige Form einwirken. Der Ton wiederum kann ob seiner Materialeigenschaften auf die Interventionen reagieren und als einer Art Gedächtnis die Kräfte der erlebten Aktionen summieren – die in qualitative Umschläge münden können. Der Ton ist dem Gestalter mit seinen Reaktionen ein Gegenüber, ein Dialogpartner. Und erweist sich in der Interaktion mit anderen gestaltgebenden Verfahren als Kommunikator. Das macht die Keramik, nachdem sie ihre traditionelle Rolle als Kulturtechnik mit der Vollendung der Industrialisierung beinahe verlören hat zu einem überaus interessanten und komplexen Ausdrucksträger für die Zukunft. Veränderte Rezepturen, Beimengungen, andere Dimensionen von Hitze und Druck, neue Präzessionswerkzeuge, Maschinen und Kontrollelemente führen in eine Vielzahl von Anwendungen in allen Wissensgebieten. Dieser neue Wissenshorizont muß der Wahrnehmung der heute studierenden Künstler und Gestalter zugänglich gemacht werden. Denn so ist folgendes möglich: Über elementare Fähigkeiten in der Bewältigung von Künstlerischen Prozessen einerseits und Kulturtechniken der Keramik andererseits können mit der erweiterten Wahrnehmung von Materialspezifiken heutiger Kulturen ganz neue Felder für die künstlerische Arbeit und deren Wirkung ausgemacht werden. Der Kunstbegriff, den Abraham vertritt, ist tief im kulturellen verwurzelt. Kunst, in der Keramik zum Medium generiert ist, speist sich eben genau so an der langen und stets präsenten Geschichte der Keramik, die Kunst, Bau, Industriegeschichte war (um nur einige Beispiele zu nennen) als auch ander allgemeinen Wahrnehmung unserer heutigen Kulturpraktiken, und, daraus resultierend, den Alltagskulturen,den Elementarien menschlicher Existenz.

Auf dieser satten Basis entsteht das Neue. Diesen Herausforderungen war die alte Werkstatt auch aus konzeptionellen Gründen längst nicht mehr gewachsen, auch wenn auf dem neuen Hochschulkampus endlich eigene, von ihr unabhängige Atelierräume auf die Studenten warteten.

Was mußte getan werden?
Der Grundriss der Campuswerkstatt war kleiner als der in der alten Hochschule. Die alten Maschinen und Geräte würden den Raum ausfüllen wie ein Lager, ohne das Platz bliebe zum Arbeiten selbst. Die technischen Geräte, allen voran die Öfen, waren so alt, daß sie nicht mehr transportiert werden konnten. Die Energie- und Umweltbilanz war nicht mehr vermittelbar.

Recherche

Um herauszufinden, wie andere ihre zeitgemäßen Werkstätten eingerichtet haben, hat Abraham eine eigene Arbeitsperiode Im EKWC auch genutzt, um über technische Innovationen nachzudenken und sich beraten zu lassen. Sie besuchte die Rietvelt Akademie Amsterdam und die St. Lucas Hochschule in Gent. Sie entwickelte ein Konzept und lud als Gutachter Anton Reijnders ein, der das EKWC 10 jahre lang technisch aufgebaut und geleitet hatte. In einer Diskussion mit den Architekten und der Hochschulleitung nannte er ihr Konzept nicht nur funktionabel, sondern hervorragend und innovativ.

Er hob die räumlich- funktionnable und damit erlebbare Umsetzung des keramischen Prozesses selbst als konzeptionelle Idee besonders hervor. (insbesondere die Befreiung des Arbeitsraumes durch die Ergänzung von Feucht- und Trockenraum. Er bemängelte, daß das Platzangebot zu schmal sei um einen eigenen Glasurraum einzurichten. In der frühen Phase bis 2011 war der Werkstattleiter Michael Schönling immer einbezogen. Er konnte auf Abrahams Bitte ein 3-wöchiges Volontariat im EKWC absolvieren, und hat St. Lucas in Gent besucht. Er hat früh angefangen, konkrete Geräte und technische Ausstattungsgegenstände zu recherchieren. Er hat die Investitionsliste erstellt, die unserem berühmten Antrag auf einen Haufen Geld zugrunde gelegt werden konnte.

Alles bewegt sich

Davon ausgehend, daß der heutige Absolvent einer Kunstakademie nicht in einer eigenen Werkstatt leben wird, sondern in einer Reihe gemeinschaftlicher oder fremder Werkstätten oder Anlagen (Industrie, Labor, Institut, öffentlicher Raum usw.) – ja, seine Projekte in einer Kombination von mehreren realisiert, thematisiert die Werkstatt nun den keramischen Prozeß selbst. Das Wissen und die Handlunggsfähigkeit an jedem Punkt des Protzesses wird den Absolventen befähigen, sich in noch so verschiedenen Forschungs- und Produktionsstätten zurechtzufinden, ihren Eigencharakter zu erkennen und seine Tätigkeit entsprechend seinen gestalterischen Absichten zu modifizieren.

Im Fokus des Raumes steht hier nicht der Töpfer, der sich um seine Werkstücke (die statisch bleiben) in großer Intimität bewegt.
Im Fokus des Raumes steht das mobilisierte Projekt, das in einer Zeitschiene die funktionalisierten Prozeßräume ansteuert.
Das klingt sehr schnell. Keramik ist aber sehr langsam.

Das Warten

Man muß nur zufällig eine Keramikwerkstatt betreten um festzustellen, das dort irrsinnig viel herumsteht. Jeder aber, der mit Ton gearbeitet hat weiß, daß sich

mehrmals im keramischen Prozeß Zeiten ergeben, die man als Warten erlebt. Daher das herumstehende Zeugs. Es dauert, ehe die frisch gemischten Massen die gewünschte Plastizität erreichen. Es dauert, ehe die weiche plastische Masse soviel Festigkeit erreicht, daß man dem Aufbau fortfahren kann. Es dauert, bis der Student, der anderswo beschäftigt war, zu seiner Arbeit zurückkehren kann.

Es dauert, bis eine Arbeit für den ersten Brand vollständig getrocknet ist.

Es dauert, ehe der Ofen aufgeheizt und abgekühlt ist.

Es dauert, ehe im Labor eine Oberfläche entwickelt ist, die wirklich auf das inzwischen sehr spezifische Objektkommen soll.

Hinter dem subjektiven Empfinden des Wartens verbergen sich komplizierte Physikalische und chemische Prozesse, die bestmöglich geplant und eingerichtet werden können.

Die laufend kontrolliert werden müssen.

Je größer die Arbeit, desto größer die Sorgfalt.

Die Warteräume

In dieser -unserer- Werkstatt gibt es neben dem bekannten Masseraum, Labor, Arbeitsraum und Brennraum zwei neue Funktionsräume:

Den Feuchtraum, der der Aufnahme von zubereiteten Arbeitsmassen und der angefangenen studentischen Arbeiten dient, um deren physikalischen Zustand zu

halten.

Den Trockenraum (zum Ofenraum offen, um die Abwärme auszunutzen) indem die Trockenprozesse mit Hilfe spezieller Technologien (z,B. Trockenzelten) optimiert und kontrolliert werden. Der Arbeitsraum bleibt leer, er ist nunmehr für die Studierenden frei, die aktuell an ihren Projekten arbeiten. Sobald sie, aus welchen Gründen immer, unterbrechen, rollen sie ihr Projekt in den Feucht- oder Trockenraum und holen es, wenn sie ihre Arbeit fortsetzen. Sie lernen in den neuen Räumen Feucht- und Trockentechnologien und können durch kollegiales Interesse an den Objekten der Mutstudierenden verschiedene Zustände und Phasen gleichzeitig beobachten und „kontrollieren-helfend“ begleiten.

Unsere Werkstatt hat vor allem Räder und Funktionsräume.

Die Räder sind unter den entstehenden Arbeiten und unter den Herdwägen der großen Ofen, dem Laborwagen, dem Hubwagen.
Die Funktionsräume sind Masse, Feucht, Trocken, Labor, Ofen Raum, dazu das Office des Werkstattleiters.
Die Massen werden von den Studierenden individuell, vom Werkstattleiter beraten, nach eigenen Rezepturen gemischt.

Individuelle Massen sind optimal auf das jeweilige Projekt zugeschnitten.
Dem experimentellen Format entspricht die Größe des Mischers. Er ist klein und schnell.
Beimengungen, die dafür benötigt werden, sind hier in Arbeitsmengen gelagert. Masseproben sollen zukünftig für die Werkstattbibliothek gesammelt werden. Im Labor werden vor allem aus Rohstoffen die keramischen Oberflächen entwickelt.
Hier finden sich aber auch Stoffe, die sich als Beimengen der Massen eignen. Kleine Mengen werden in Regalen zur Selbstbedienung bereitgehalten. Die Ausstattung mit Arbeitsflächen, Laborgefäßen, Waagen, Spülbecken und Laborabfluß an den Wänden ermöglicht eine freie Raummitte, die für einen Besprechungstresen genutzt wird. Hier können Proben ausgelegt und besprochen werden.

Unter der Präsentationsfläche ist unter der Leitung des Werkstattleiters ein Handapparat Oberflächenproben im Wachsen, der den Studierenden ein erster Leitfaden bei ihrer Recherche sein – und bei den Besprechungen hinzugezogen werden kann.

Gleichzeitig hat ein postgraduales Künstlerisches Forschungsprojekt begonnen, das ein umfassendes öffentlich zugängliches Oberflächenarchiv zur speziellen Nutzung für Künstler und Designer konzipieren und aufbauen soll.

Im Ofenraum befinden sich ein kleiner älterer ETestofen und die großen neuen Öfen:

2 Elektro, einer Gas, die wir heute taufen. Mit den neuen Herdwagenöfen (der Boden läßt sich aus den Ofen freu herausfahren und kann von 3 Seiten beladen werden) sind wir in der Lage, große, kompakte oder sehr delikate Arbeiten sicher zu platzieren oder direkt auf dem Ofenboden zu bauen. Alle Ofen sind computer-programmiert und -gesteuert. Die Ofenprotokolle werden elektronisch ausgewiesen.

So können wir den tatsächlichen Brandverlauf abbilden und diskutieren. Alle zu den Öfen gehörenden, ebenfalls neuen Brennhilfsmittel sind im Ofenraum in geeigneten Stellagen aufbewahrt.

Der Arbeitsraum, die leere Mitte der Werkstatt, verändert je nach den Charakteren der gerade in ihm arbeitenden Studenten sein Gesicht. Hier befindet sich nur Mobiliar, das unmittelbar zur Arbeit benötigt wird, es ist sonst platzsparend gestapelt, aufgehängt oder zur Seite gebracht.

Nichts, was nicht weiter in der Werkstatt bearbeitet werden muß verweilt dort, man wird dort nichts Verworfenes, Aufgeschobenes, oder Fertiges finden können. Hier stehen alle Signale immer auf Anfang. Bestaunen sie diesen Reichtum.
Neiden sie uns die Möglichkeiten.
Fordern sie von uns das Beste!
Seien sie neugierig, was es sein wird.
Stoßen sie an mit allen, die uns geholfen haben!
Wippen sie mit dem Bein
und beschwipsen sie sich

8.11.16

Kerstin Abraham

»Ratzefummel, Lineal« – Text über Horst Bartels im »Katalog Fragmente«

in: »Fragmente, Werke von Horst Bartels«
Ars Borealis 03
Hrsg. Sparkassenstiftung Schleswig Holstein

Zu seiner letzten Ausstellung, bei Kruses, habe ich Horst die Rede gehalten.

Er hat die Rede dann besessen und nun habe ich sie nicht mehr und kann nicht in Versuchung geraten, sie heute für meinen kleinen Text zu benutzen. Was mir von Horst bleibt?

Drei Bilder (eine Salamiwurst, einen Herrenhut und eine komplizierte Zusammenkomposition von 45 Aquarellen  vor Karteikärtchen in Tütchen auf Leinwand, gerahmt), im April ein Teppich aus Scilla unter unserem alten Boskop (die wir zusammen in seinem wilden Villengarten ausgegraben hatten, ehe er in den Marienhof zog), einen krummen Haselstrauch bei den Himbeeren, der jedes Jahr enorm zulegt, ein Büchlein über Geburtshilfe und Mutterschaft von 1908 mit zahlreichen Abbildungen, eine Erste Hilfe Tasche seiner Tante aus dem letzten großen Krieg, in dem sie Krankenschwester bei den Verwundeten war, einen Toilettenkoffer in elegantem englischen Format für den Herrn, mit lila Seide gefüttert, die Kanten leicht bestoßen (er könnte eine Restaurierung, auch innen, gebrauchen), ein Kochbuch in Farbfächerform, einen großen, filigran gearbeiteten Elfenbeinanhänger, den ich gerne eimal tragen würde, aber nicht so wie er ist (den Mut, ihn zu verändern, habe ich nicht). Und 5 Kataloge: einer in Form eines Memoryspiels, einer wie ein Album für Zigarettenbilder, einer in Form einer Versammlung. Dazu 4 Plakate, ein Faltblatt und 7 Einladungskarten, von ihm gemacht mit meiner so erbetenen wie nervigen Einmischung. Die natürlich unbezahlbaren endlosen Sitzungen an diesen Opussi in seinem Zimmer im Zeitungsverlag waren voller Gewitter, in denen sich die Spannungen zwischen einer zwanghaften Unbedingtheit (ich) und feinsinniger, beharrlicher, bis ins kleinste stimmiger Konsequenz (er) entluden. Wir haben sehr gestritten. Ein kleines Taschenradio dudelte die ganze Zeit. Daneben stand eine kleine eiserne Badewanne, die er im Eifer hin und herschob. Zwischendrin rief Jörg Heiniger an, plauderte mit Horst und fragte nebenbei, wo ich denn bliebe. Es war wunderbar.

Ein Foto von ihm in der Pizzeria Populare al Forno in Berlin. Das sind die sichtbaren, anfassbaren  Zeugnisse unserer Bekanntschaft. Ich weiß nicht, wie ich die Kollegialität unter uns zweien, Künstlern mit bürgerlichen Berufen, die  bald in Freundschaft  und zunehmend in enge Verbundenheit ausartete, beschreiben soll.

Und ob ich das überhaupt möchte.

Horst habe ich geerbt.

Von  Ekkehart Thieme, dem Zeichner und Radierer, der sein Freund war (länger) und meiner (kürzer). Ich war neu in Kiel, an der Schule, an der Ekkehart schon 30 Jahre lehrte, und ich hatte eine Ausstellung in Lübeck, zu der ein Katalog erscheinen würde. Meine Vorstellungen davon. Kennst du Horst Bartels. Der der kriegt das hin.

So geht das in Flensburg.

Von da an hat Horst aber auch alles layoutet, was bei mir anfiel. Seither ich zeige seine Printsachen sehr gerne her und ernte alles Lob längst allein. Einen neuen Katalog habe ich seit ARBEITEN ESSEN SCHLAFEN nicht gewagt.

Horst lebte  menschenfreundlich, eigensinnig, altmodisch, hartnäckig, beharrlich und unbeirrt an den Rändern seines selbstgeschaffenen, alltäglich gehegten Universums.

Er ging die Peripherie, den Blick sowohl auf das Außen-vor, wie auf das Innendrin gerichtet , wie der Meister, der beim Gelingen eines Werkstücks zuschaut.

Die Provinz ist, wenn sie geliebt wird, die größere Welt.  Sie ist ihr in Teilen auch überlegen. Das konnten Horst gelegentliche wohlbegründete Reisen in die wirklichen Metropolen nur bestätigen. Ein Tourist war Horst nicht.

Sein Geheimnis war, das alltägliche zu adeln.

Sorgfältig Auswählen und Komponieren, Preziosen aus Resten und Fragmenten der Papierwelt schaffen (mit deren untergehendem Nachrichten-Elementarium der Industriegesellschaft, der Zeitung, er leidenschaftlich verbunden war), Einzelnes zu Einzigartigem fassen, Welten untereinander verknüpfen („witzig“), Farben sich subtil einander anverwandeln lassen – das hat er gekonnt in seinem Atelier im Hof hinter dem Sarglager, das eine Werkstatt im allerbesten Sinne war. Sie hielt seine Umwerte sorgfältig bereit, in Archiven an den Wänden entlang gereiht. In der Mitte gab es große, aufgeräumte Arbeitstische, gut sortierte Wekzeuge, wo seine Fortsetzungsgeschichten ihre Erzählung erhielten.

Carolas und Horsts Wohnstätte oben im alten Villenviertel dagegen war ein großer Spielplatz, wo mit Schalk und Ironie ein Vielfaches von einem Allerlei in möglicher Unmöglichkeit kombiniert wurde um eine Behaglichkeit zu erreichen, der die Finsternisse unserer Existenz vertraut sind. Hier war die 13. Fee eingeladen. Adventskranz aus Fröschen u.s.w.

Horst liebte das Theater als Ganzes, die Schauspieler wie das Theaterrestaurant, wie die Stücke, wie das Licht, und den Hin- und den Rückweg mit Freunden. So auch die Kunst zusammen mit den Künstlern, Galeristen und Museumsdirektoren und den Freundschaften (Feindschaften) und Klatschgeschichten. Er liebte es, Kunst zu betrachten (große Kunst verehrungsvoll), Kunst zu kaufen und Kunst zu sammeln. er war ein generöser Förderer junger oder unbekannter Kunst von hohem Geschmack.

Zu seiner eigenen Kunst gehörte es, sich fein, dezent und zeitlos zu kleiden, seine zarte altersjugendliche Haut von einer Freundin pflegen zu lassen, sein kräftiges Kopfhaar von einem Freund gerade so viel bändigen zu lassen, das es aufmüpfig bleiben konnte – und sein Profil, sein Vollporträt,sein Hinterkopf und seine 360° Ganzfigur im Spiegel zu kontrollieren. Er hätte nie ein kurzes Hemd getragen.

Er haßte es, ohne Behändigkeit zu gehen. So war er stets nur mit einer kleinen Umhängetasche und (wenn nötig) einem großen schwarzen Stockschirm angetan, ohne Mütze. Bücher- und Marktkäufe trug er in der Hand, alles andere ließ er, wenn möglich, bringen oder schicken.

Ohne Beispiel bleibt für mich, an seinem Arm durch Flensburg zu spazieren und die tapfer verborgene Enttäuschung zu spüren, wenn ich, wieder einmal, nur Arbeitssachen anhatte. Er brachte mich bis zum Auto, immer. „Erstmal.“ Ja, erstmal, Horst.

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