Seit ich 2008 in den HB Werkstätten gearbeitet habe, ist mir auch praktisch bewusst, dass das Zeitgenössische in seiner freiesten Form im Muster, im Dekor, zu Hause sein kann. Die Zeitgenossenschaft liegt in der Erfindung, die sich dem Zwecke vollkommen anverwandelt hat, schon in der Produktion, im Machen selbst.
Vor einiger Zeit wandte ich mich dann der Frage zu, wann etwas, was ich zeichne, eine freie Zeichnung ist – und wann ein Ornament. Und ob sich aus meiner Zeichnung ein taugliches Ornament oder Muster gewinnen lässt – und umgedreht.
Ich zeige heute gern Zeichnungen aus meinen Musterbüchern zusammen mit den Geschirrteilen, meist Tellern, auf denen sie als Ornamente oder Muster auftauchen. Die Geschirre habe ich im Fall der meisten Fayencen selbst gemacht.
Das hat damit zutun, was mir die Fayence bedeutet. Dann gibt es Arbeiten, die Resultate meiner Tätigkeit als „Wandermalerin“ in heute noch existierenden europäischen Produktionsstätten sind, bei denen ich mich den jeweiligen Herstellungstechnologien anpasse. Wie das Glasur-auf-Glasur Malen bei Zsolnay, zum Beispiel. Man sagt, gerade bei Keramik, „Industrie“ gern abwertend. Wie aufregend dagegen ist es, in die historisch gewachsenen und fein unterschiedenen industriellen Techniken einzutauchen, eine winzige individuelle Spur zu legen. Schließlich gibt es meine Palimpzeste auf historischer Industrieproduktion – hier habe ich das Trägermaterial im Internet ersteigert und kann die vielen verschiedenen Technologien, zu der meine Maltechnik jedes Mal passen muss, nur erraten und austesten. Meine Lieblinge stammen aus der Zeit vor dem Geschirrspüler (…).
Die Musterbuchvorlagen, die ich immer wieder verwenden und variieren kann, sind einerseits wiedererkennbar. Andererseits bestimmen die Umstände der Applikation einen neuen Malakt, der in eine stets neue Zeichnung mündet. Gleichzeitig ergeben die verschiedenen Formen, Zeichnungen, Produktions-und Maltechniken, die sich immer aufeinander beziehen müssen, in ihrer Fülle ein so großes Spannungsfeld, das ich nicht müde werde, die Ergebnisse zu vermischen und neu zu kombinieren. Alle vorhergehenden Arbeitsschritte, die mich allein völlig ausgefüllt haben, erweisen sich nun als Vorstufen einer ordnenden Tätigkeit, die das „Ganze“ will, aber nicht erreichen kann.
Kerstin Abraham
Kerstin Abraham in der Galerie Kruse, Flensburg
27. April – 12. Mai 2018
September 2016, Budapest, Ungarn
01. Kerstin Abraham – Tee Ivory Fine – 2017, Foto: Kerstin Abraham 02. Kerstin Abraham – Tee Ivory Fine – 2017, Foto: Kerstin Abraham 03. Musterbuch Seite 04. auf HB, Galerie Kruse (Foto: Wolf Abraham) 05. auf eigener Fayence, , Galerie Kruse (Foto: Wolf Abraham) 06. Galerie Kruse Einladung Ausstellung 07. Auf HB (3), auf Ivory, Galerie 08. Flyer zur Ausstellung »Drawing Over Ground«, Galerie Fiske, Budapest (Gestaltung: Denken & Handeln)
27. März 2018
eigene Fayence, Musterbuch, Ongoing Patternbooks, Traveling Painter, Work